Das Scheidungsverfahren ist umfangreich. Das Familiengericht teilt dabei – grundsätzlich automatisch – die Rentenanwartschaften zwischen den geschiedenen Ehegatten auf. Diesen Aspekt bezeichnen Juristen als den Versorgungsausgleich. Besonderheiten bestehen allerdings bei sogenannten binationalen Scheidungen.
In diesem Beitrag erfahren Sie, worum es sich beim Versorgungsausgleich handelt und auf welche Feinheiten im internationalen Familienrecht zu achten sind!
Inhaltsverzeichnis
1. Was bedeutet Versorgungsausgleich?
2. Versorgungsausgleich – Das Wichtigste in Kürze
3. Ausländische Versorgungsanrechte im Scheidungsverfahren
4. Versorgungsausgleich im internationalen Familienrecht
1. Was bedeutet Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich zielt wie der Zugewinnausgleich auf einen Ausgleich zwischen den Ehegatten anlässlich der Scheidung. Dennoch sind diese Begrifflichkeiten streng voneinander zu trennen. Der Versorgungsausgleich bezieht sich nämlich auf einen anderen Vermögensgegenstand. Ausgeglichen werden Anrechte auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Diese Anrechte, die früher als Anwartschaften und Aussichten bezeichnet wurden, sind die Grundlage für spätere Rentenzahlungen. Im Alter sind sie daher besonders wichtig.
Dem Versorgungsausgleich liegt prinzipiell der Gedanke zu Grunde, dass die von den Ehegatten während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanrechte beiden Partnern zu gleichen Teilen zustehen. Das Bundesverfassungsrecht spricht in diesem Zusammenhang sogar von dem Prinzip der Halbteilung. Das bedeutet, dass sogar ein Anspruch auf die hälftige Teilhabe am Erwirtschafteten besteht. Kommt es also zur Scheidung, haben die Eheleute daher einen rechtlichen Anspruch auf Ausgleich in Höhe der Hälfte des Wertes der jeweiligen Ehezeitanteile der Anrechte.
§ 1587 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt, dass zwischen den Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten stattfindet. Im Vordergrund stehen dabei solche Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs wird im Scheidungsverfahren grundsätzlich von Amts wegen – also automatisch – durchgeführt.
2. Versorgungsausgleich – Das Wichtigste in Kürze
Bei einer rein nationalen Scheidung lassen sich folgende Aspekte zum Thema Versorgungsausgleich zusammenfassen:
- Das Familiengericht teilt automatisch die Rentenanwartschaften der geschiedenen Eheleute auf
- Im Gegensatz zum Zugewinnausgleich ist hierzu kein gesonderter Antrag im Scheidungsverfahren zu stellen
- Wegen des Versorgungsausgleichs fließt zunächst kein Geld
- Mit Renteneintritt können die geschiedenen Ehegatten eventuell von der Altersvorsorge des anderen profitieren
- In einem Ehevertrag können die Eheleute Regelungen treffen, sodass kein Versorgungsausgleich stattfindet
- Bei einer Ehezeit von weniger als drei Jahren findet der Versorgungsausgleich nur auf Antrag statt
3. Ausländische Versorgungsanrechte im Scheidungsverfahren
Wie eingangs erwähnt, beschränkt sich der Versorgungsausgleich nicht alleine auf die im Inland erworbenen Anrechte. Er erstreckt sich auch auf ausländische Anrechte. Diese werden im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom zuständigen Familiengericht ermittelt. Wie alle anderen Anrechte auch, fallen sie nur dann in den Versorgungsausgleich, wenn sie durch Arbeit oder Vermögen geschaffen wurden. Besonderheiten gelten hier etwa bei solchen Ländern, die eine steuerfinanzierte Volksrente haben. Das ist etwa in den Niederlanden, der Schweiz, Schweden oder Dänemark der Fall. Die deutschen Gerichte zählen diese Anrechte ebenfalls zu dem Versorgungsausgleich, da sie der Absicherung des Alters oder der Berufsunfähigkeit dienen.
In der Praxis tritt häufig das Problem zu Tage, dass ausländische Versorgungsträger sich auf die Übersendung eines Versicherungsverlaufes beschränken. Konkrete Auskünfte, die sich auf die Ehezeit beziehen, bleiben häufig aus. In diesen Fällen greifen die Familiengerichte auf Gutachten eines Sachverständigen zurück, auf die sich die Bewertung der Anwartschaften stützen kann.
PRAXISTIPP → An dieser Stelle wird deutlich, dass bei Scheidungen mit Auslandsbezug ein Experte hinzuzuziehen ist. Im internationalen Familienrecht stellen sich praktische Hindernisse und Ihr Rechtsbeistand muss sich mit den Besonderheiten auskennen. Die Kanzlei Senol hat langjährige Erfahrung in diesem Bereich. Zögern Sie nicht, Kontakt zu uns aufzunehmen.
4. Versorgungsausgleich im internationalen Familienrecht
Im internationalen Familienrecht besteht im Rahmen des Versorgungsausgleichs eine wesentliche Besonderheit: Er ist nur dann automatisch durchzuführen, wenn auf die Scheidung zum einen deutsches Recht Anwendung findet. Zum anderen muss das Recht des Staates, dem die Ehegatten im Zeitpunkt der Scheidung angehören, den Versorgungsausgleich kennen.
Welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt, wird im internationalen Familienrecht durch sogenannte Kollisionsnormen bestimmt.
PRAXISTIPP → Diesem komplexen Thema haben wir einen eigenen Beitrag gewidmet.
Um die Auffälligkeiten im internationalen Familienrecht zu veranschaulichen, soll folgendes Beispiel dienen:
Zwei türkische Staatsangehörige lassen sich in Deutschland scheiden. Bei einer solchen Scheidung mit Bezug zum türkischen Recht, stellt sich die Frage, ob der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen ist. Da beide Ehegatten in Deutschland leben, findet auf das Scheidungsverfahren grundsätzlich deutsches Recht Anwendung. Damit liegt der Schluss nahe, dass auch der Versorgungsausgleich automatisch durchzuführen ist. Allerdings kennt das türkische Familienrecht das Institut des Versorgungsausgleichs nicht. Das bedeutet für die Ex-Partner, dass eine Aufteilung der Versorgungsrechte nur auf Antrag stattfinden kann.
PRAXISTIPP → Sprechen Sie uns im Rahmen Ihres persönlichen Beratungsgesprächs gerne auf den Versorgungsausgleich an! Wenn in Ihrer Situation ein gesonderter Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs sinnvoll ist, vertreten wir Ihre Interessen umfassend vor Gericht!
5. Fazit
Scheidungsverfahren mit Auslandsbezug unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von einer rein nationalen Scheidung. Hier kommt es neben der notwendigen Kultursensibilität in der Beratung vor allem auch auf vertiefte Rechtskenntnisse im internationalen Familienrecht an.
Wir beraten Sie hierzu gerne!