2016 gab es in Deutschland rund 655.500 unbesetzte Stellen. So hoch war diese Zahl seit 10 Jahren nicht mehr. Auch im Jahr 2017 hat sich dieser statistische Wert kaum verändert. Dementsprechend stehen Vorstellungsgespräche auf der betrieblichen Tagesordnung. Für Bewerber und Unternehmen haben sie eine herausgehobene Bedeutung, sodass es sich lohnt, die arbeitsrechtlichen Probleme rund um das Thema Bewerbungsgespräch genauer zu betrachten. Nachvollziehbar ist, dass die finanziellen Aspekte für alle Beteiligten besonders interessant sind. In diesem Beitrag wollen wir der Frage nachgehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten im Zusammenhang mit einem Bewerbungsgespräch zu erstatten sind.
Inhaltsverzeichnis
- Der Weg zum Vorstellungsgespräch
- Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung der Reisekosten
- Kein Anspruch auf Reisekostenerstattung
- Umfang des Erstattungsanspruchs
- Fazit
Die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag erfolgt oftmals erst dann, wenn sich der Arbeitnehmer im vorherigen Bewerbungsverfahren behaupten konnte. Dabei handelt es sich häufig um den ersten persönlichen Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nachhaltig prägt.
Das Vorstellungsgespräch kann als direkte Folge einer positiven Bewertung über eine Bewerbung des Jobkandidaten verstanden werden. Der Weg hin zum Bewerbungsgespräch beginnt meist mit der Einladung des Arbeitgebers. In manchen Fällen werden auch unabhängige Personalberater bzw. Jobvermittler tätig und laden den Bewerber ein. Es liegt also auf der Hand, dass der Gestaltungs- und Mitwirkungsspielraum des Kandidaten zu diesem Zeitpunkt noch sehr gering ist.
Im Vorstellungsgespräch selbst will der Arbeitgeber dann herausfinden, ob der Bewerber den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle entspricht und sich aller Wahrscheinlichkeit nach gut ins Unternehmen einfügen wird. Für den Bewerber stellen sich selbstverständlich die gleichen Fragen, die dann im persönlichen Kontakt mit dem neuen Arbeitgeber ergründet werden.
PRAXISTIPP → Essentiell für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch ist, dass beide Seiten unaufgefordert alle wesentlichen Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Diese Offenbarungspflicht gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Auf Fragen, die für die zu besetzende Stelle gänzlich unwesentlich sind, muss grundsätzlich nicht wahrheitsgemäß geantwortet werden. Dem Arbeitgeber fehlt es hierfür meist an einem nachweisbar berechtigten Interesse.
Heutzutage ist es keine Seltenheit mehr, dass Bewerber erhebliche Strecken zurücklegen müssen, um das Vorstellungsgespräch wahrnehmen zu können. Je flexibler die Jobsuche ausgestaltet ist, umso mehr Kilometer müssen zurückgelegt werden, um sich beim potentiellen Arbeitgeber vorzustellen. Bereits vor Antritt dieser Reise, stellt sich für den Jobkandidaten die Frage, wie man am leichtesten und kostengünstigsten zum Bewerbungsgespräch gelangt. Zu denken ist neben dem privaten Pkw auch an öffentliche Verkehrsmittel, wie Zug oder sogar Flugzeug. Dabei können sich schnell beachtliche Reisekosten anhäufen, auf denen der Bewerber nur ungerne sitzen bleiben möchte.
Lädt der potentielle Arbeitgeber zum Bewerbungsgespräch ein, ist er dem Grunde nach auch dazu verpflichtet, die Reisekosten zu erstatten. Die Anforderungen hierfür sind leicht erklärt:
- Es bedarf einer ausgeschriebenen Stelle
- Auf die Bewerbung muss eine ordnungsgemäße Einladung zum persönlichen Gespräch folgen
Grundsätzlich sind diese Voraussetzungen also eindeutig und transparent. Einzig die Einladung zum Bewerbungsgespräch kann etwas aus dem Rahmen fallen und Raum für Ausnahmen und individuelle Anpassungen lassen.
PRAXISTIPP → Wenn Sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten haben, sollten Sie also auch das Kleingedruckte durchlesen!
Die Einladung des potentiellen Arbeitgebers oder Personalvermittlers kann bereits einen Hinweis darauf enthalten, dass Reisekosten nicht erstattet werden. Diese Herangehensweise ist zwar nicht unumstritten. Sie erfreut sich bei vielen Unternehmen jedoch wachsender Beliebtheit. So bleiben die Kosten für das einstellende Unternehmen planbar. Außerdem werden Sie vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen geschützt. Für viele kleinere Unternehmen ermöglicht der Ausschluss des Anspruchs auf Reisekostenerstattung überhaupt erst das Aussprechen einer Einladung zum Bewerbungsgespräch. Letztlich ist diese Vorgehensweise auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Da der Kostenersatz von Auslagen zum Zwecke des Vorstellungsgesprächs mittlerweile als verkehrsüblich anzusehen ist, ist dessen Ausschluss ausdrücklich und unmissverständlich zu erklären.
PRAXISTIPP → Wer als Unternehmer die Pflicht zur Erstattung von Reisekosten umgehen möchte, muss sich in der Einladung zum Bewerbungsgespräch klar und deutlich ausdrücken. Als Formulierungshilfe bietet sich an: „Wir weisen darauf hin, dass wir etwaige Kosten, die Ihnen im Zusammenhang mit dem Vorstellungsgespräch entstehen, nicht übernehmen können.“
Letztlich muss unterschieden werden, ob es sich um einen privaten oder öffentlichen Arbeitgeber handelt. Bei Letzterem kann es unter Umständen Bestimmungen geben, die die Kostenerstattungspflicht für die Anreise zum Bewerbungsgespräch anders regeln.
Die Pflicht zur Kostenerstattung im Zusammenhang mit einem Vorstellungsgespräch stützt sich zunächst auf zwei Prämissen: Einerseits besteht der Anspruch in der Regel unabhängig von der Einstellung des Bewerbers. Andererseits werden grundsätzlich nur die notwendigen Kosten erstattet. Darunter fallen solche Auslagen, die der Bewerber im Einzelfall für erforderlich und notwendig halten durfte. Entscheidend ist – wie so oft – der Einzelfall!
a) Fahrtkosten zum Vorstellungsgespräch
Fahrtkosten zum Bewerbungsgespräch werden in der Regel entweder nach den Kosten einer Fahrkarte der Deutschen Bahn in der zweiten Klasse oder bei Autofahrten nach der Kilometerpauschale von 0,30 EURO pro gefahrenen Kilometer erstattet. Die Strecke bemisst sich hierbei vom Wohnsitz des Bewerbers zum Sitz des Unternehmens. Hat das Unternehmen mehrere Niederlassungen, ist selbstverständlich diejenige ausschlaggebend, in der der Kandidat auch sein Bewerbungsgespräch hat.
Arbeitgeber haben des Weiteren die Möglichkeit, die Fahrtkostenerstattung der Höhe nach zu begrenzen. In der Praxis finden sich diesbezüglich oftmals Hinweise, dass die Kosten maximal in Höhe des Preises einer Fahrkarte der Deutschen Bahn in der zweiten Klasse ersetzt werden. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zulässig und kann flexibel umgestaltet werden. Es bietet sich beispielsweise auch an, die Höhe der Erstattung auf die vergleichsweise günstigere Variante der Anreise zu begrenzen.
Auch Flugkosten werden in der Regel erstattet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Preisverfall der letzten Jahre dazu geführt hat, dass die Anreise mit dem Flugzeug oftmals günstiger ist als eine Bahnfahrkarte oder selbst die Benzinkosten. Wenn die Einladung zum Bewerbungsgespräch hierzu keine ausdrücklichen Hinweise enthält, sollten Jobkandidaten vorher Kontakt zum Arbeitgeber aufnehmen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
b) Übernachtungskosten
Prinzipiell können auch Hotelkosten vom Arbeitgeber erstattet werden. Im Unterschied zu den Fahrtkosten besteht die Schwierigkeit hier jedoch darin, einen anerkannten Richtwert zu benennen, im Rahme dessen die Kosten noch als erforderlich anzusehen sind. Die Geltendmachung der Erstattung von Hotelkosten ist regelmäßig nur dann möglich, wenn die Übernachtung auch tatsächlich notwendig war, um das Vorstellungsgespräch wahrzunehmen. Hierbei sind unterschiedliche Kriterien zu berücksichtigen, wie etwa die Entfernung zum Wohnort und die Dauer der An- und Abreise.
PRAXISTIPP → Sollten Sie auf eine Übernachtungsmöglichkeit angewiesen sein, um das Vorstellungsgespräch wahrnehmen zu können, empfiehlt sich eine vorherige Absprache mit dem Arbeitgeber. So können Sie im Vorfeld einschätzen, welche Ausgaben auf Sie zukommen und ob sich eine Anreise lohnt.
c) Sonstige Kosten im Zusammenhang mit dem Bewerbungsgespräch
Neben Fahrt- und Übernachtungskosten können eine Reihe von sonstigen Kosten auf den Bewerber zukommen. Hierzu zählen beispielsweise Taxikosten, Reservierungs- oder Parkgebühren. Typischerweise handelt es sich hierbei nicht um notwendigerweise anfallende Ausgaben. Hier ist eine ausdrückliche Erstattungserklärung des Arbeitgebers einzuholen.
Sämtliche Fragen rund um das Thema Kostenerstattung im Zusammenhang mit Bewerbungsgesprächen werden oftmals nur unzureichend aufgeklärt. Wenn Sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten haben, sollten Sie im Kleingedruckten nach einem Ausschluss der Kostenerstattungspflicht Ausschau halten. Oftmals stellen sich Arbeitgeber im Nachgang quer und verweigern die Kostenerstattung. Als Rechtsanwaltskanzlei im Arbeitsrecht unterstützen wir Sie gerne bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche. Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!