Die Grundlagen der Verdachtskündigung und der personenbedingten Kündigung haben wir bereits erläutert. Nun hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eine praxisrelevante Entscheidung zur Verdachtskündigung getroffen, der wir diesen Beitrag gewidmet haben!
Inhaltsverzeichnis
- Der Sachverhalt der Verdachtskündigung
- Die Entscheidung des BAG zur Verdachtskündigung
- Was ist mit der Kündigungsfrist?
- Ist die Untersuchung des Dienstlaptops durch den Arbeitgeber erlaubt?
- Ausblick für die Praxis
Der Verdachtskündigung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte produziert Pkw und ist fester Bestandteil der Automobilbranche. Bei ihr war der Kläger, ein als Schwerbehinderter anerkannter Mensch, seit 1996 beschäftigt.
Anlässlich einer zuvor angekündigten Untersuchung seines Dienstlaptops entdeckte der Arbeitgeber auf dem Rechner in einer nicht als „privat“ gekennzeichneten Datei zwielichtige Angaben: Die Datei erweckte den Verdacht, dass der Kläger sich eines Tankbetruges schuldig gemacht haben könnte. Daraufhin ergingen im Jahr 2013 mehrere Kündigungen, die das Bundesarbeitsgericht am 2016 mangels Zustimmung des Integrationsamtes und wegen unzureichender Betriebsratsanhörung für unwirksam befunden hat. Die Beklagte, die ein dringendes Interesse daran hatte, sich des Mitarbeiters zu entledigen, kündigte ihm daraufhin nach Zustimmung des Integrationsamtes und erneuter Anhörung des Betriebsrates ordentlich 2017 wiederholt. Was das Bundesarbeitsgericht zuvor bemängelt hatte, hat der Arbeitgeber nun nachgeholt.
Wiederum erhob der Arbeitnehmer nun Kündigungsschutzklage. Vor dem Landesarbeitsgericht blieb er allerdings ohne Erfolg. Daraufhin legte er Revision ein und legte sein Anliegen den Richtern des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt vor!
Der für die Revision zuständige 2. Senat wies das Rechtsmittel des Klägers zurück!
Die ordentliche Kündigung sei als Verdachtskündigung nach § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt. Der Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung oder Straftat stelle stets einen gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, eigenständigen personenbedingten Kündigungsgrund dar!
PRAXISTIPP → Hier wird das Wesen der Verdachtskündigung besonders anschaulich! Die Richter unterscheiden genau, zwischen dem bloßen Verdachtsmoment und der Frage, einer tatsächlich begangenen Pflichtverletzung. Beide können eine Kündigung rechtfertigen!
Bereits der bloße Verdacht des Betruges ist nach Ansicht der Richter geeignet, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer derart zu erschüttern, dass darin ein Kündigungsgrund liegen kann.
Die Richter des Bundesarbeitsgerichts hatten eine wichtige Hürde zu überwinden, um die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers scheitern zu lassen. Denn grundsätzlich ist die Wirksamkeit einer Kündigung auch an die Einhaltung einer Kündigungsfrist geknüpft! So schreibt § 626 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches etwa vor, dass die Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen darf.
Diese Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte Kenntnis über die Tatsachen erlangt, wegen derer er kündigen möchte. Kenntnis hatte der Arbeitgeber hier bereits 2013, nämlich spätestens nach der Überprüfung des Dienstlaptops. Die ordentliche Kündigung erging jedoch erst 2017. Wie sind diese Gegensätze nun in Einklang zu bringen?
Die Richter haben angesichts der Gesetzeslage erkannt, dass für die ordentliche Verdachtskündigung nicht die starre Frist des § 626 BGB gelten darf. Zum Schutze der Arbeitnehmer jedoch müsse der Arbeitgeber sich zügig entscheiden und dürfe insbesondere nicht einen Kündigungsgrund „in petto halten“, um ihn dann später zu nutzen.
Auch wenn es sich um den Arbeitslaptop handelt, stellt die Untersuchung der darauf gespeicherten Dateien ein erheblicher Eingriff in die Rechte der Beschäftigten dar. Viele Arbeitnehmer werden diese Ansicht teilen. So sehen es auch die Richter des höchsten deutschen Arbeitsgerichts. Zwar dürften besonders eingriffsintensive Maßnahmen nur bei begründetem Verdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung ergriffen werden. Auch ohne einen begründeten Anfangsverdacht sei die Untersuchung jedoch hier zulässig: die Untersuchung sei offen und unter Ankündigung erfolgt, der Arbeitnehmer wurde auf deren Reichweite hingewiesen. Trotzdem habe er den Datenordner auf dem Rechner nicht als „privat“ gekennzeichnet.
Die lang diskutierte Frage, ob die Verdachtskündigung als verhaltens- oder personenbedingte Kündigung zu behandeln ist, hat der Senat nun im letzteren Sinne entschieden. Für die ordentliche Verdachtskündigung gilt zwar die Frist des § 626 II BGB nicht. Der Arbeitgeber muss sich aber trotzdem schnell entscheiden! Hält er diese Formalitäten ein, kann auch eine nach 4 Jahren ausgesprochene Kündigung noch fristgerecht sein.
Schutzlos sind Arbeitnehmer dennoch nicht! Eine Kündigungsschutzklage ist auch bei Verdachtskündigungen oftmals vielsprechend. Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!