Verwandte in gerade Linie sind von Gesetzes wegen gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. So schreibt es § 1601 BGB vor. Die Unterhaltsverpflichtungen betreffen insbesondere die Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Was wenig bekannt ist: Diese Verpflichtungen gelten auch in andere Richtung! Keine gesetzlichen Unterhaltspflichten bestehen gegenüber Geschwistern oder sonstigen Verwandte.
Innerhalb dieser vielschichtigen Unterhaltsbeziehungen versuchen wir mit diesem Beitrag Licht ins Dunkle zu bringen. Dabei gehen wir insbesondere auf den praxisrelevanten Kindesunterhalt ein. Außerdem klären wir auf, welche Rolle die sogenannte Düsseldorfer Tabelle in diesem Zusammenhang spielt.
Inhaltsverzeichnis
- Unterhaltspflichten zwischen Verwandten?
- Leistungsfähigkeit und Rangfolge
- Erhöhter Unterhalt gegenüber Minderjährigen
- Der Unterhaltsbedarf
- Der Tabellenunterhalt
- Fazit
Wie eingangs bereits erläutert besteht der gesetzliche Unterhaltsanspruch zwischen Verwandten in gerader Linie, also zwischen Vorfahren und Nachkommen. Gemeint sind beispielsweise Großeltern, Eltern, Kinder und Enkelkinder. Was die Verpflichtungen zur Unterhaltsleistung anbelangt gelten einige Grundregeln:
- Der Ehegatte haftet grundsätzlich vor den Verwandten des Unterhaltspflichtigen
- Unterhalb der Verwandten haften die Abkömmlinge vor den Verwandten der aufsteigenden Linie
- Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen
Was auf den ersten Blick kompliziert anmutet, wird mit einem Praxisbeispiel anschaulich:
Die Großmutter muss sich mit Unterhaltsansprüchen zunächst an ihren Sohn halten, hilfsweise an die Enkeltochter. Die Eltern der Großmutter – also die Urgroßeltern – haften als Verwandte der aufsteigenden Linie erst an dritter Stelle!
Der Unterhaltspflichtige muss in der Lage sein, den geschuldeten Unterhalt leisten zu können, ohne seinen eigenen angemessenen Lebensunterhalt zu gefährden. Wie auch beim Ehegattenunterhalt ist zunächst das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen zu ermitteln. Dieses ist nicht mit dem steuerlichen Einkommen zu verwechseln. Das steuerliche Nettoeinkommen stellt zwar die Grundlage für die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens dar. Hiervon werden aber noch verschiedene weitere Positionen wie beispielsweise berufsbedingte Aufwendungen, Altersvorsorge und Schulden abgezogen.
PRAXISTIPP → Unterlässt der Unterhaltspflichtige einen zumutbaren Einsatz seiner Arbeitskraft, um die Unterhaltsleistungen aufbringen zu können, kann dies als (fiktives) Einkommen hinzugerechnet werden. Als Anwaltskanzlei im Familienrecht beraten wir Sie beim Streit um Unterhaltspflichten gerne!
Steht das bereinigte Nettoeinkommen fest, so wird ein Abzug in Höhe des sogenannten Selbstbehalts vorgenommen. So wird vermieden, dass der Unterhaltspflichtige mit einer Zahlungslast überfordert wird, die ihm sein Existenzminimum nehmen könnte.
In diesem Zusammenhang wird auch die Düsseldorfer Tabelle 2019 hinzugezogen:
- Der Selbstbehalt beläuft sich hiernach gegenüber minderjährigen Kindern bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf 1.080 Euro, bei Arbeitslosen auf 880 Euro
- Der angemessene Eigenbedarf, insbesondere gegenüber anderen volljährigen Kindern, beträgt in der Regel mindestens monatlich 1.300 EUR
Minderjährigen Kindern gegenüber gelten verschärfte Regelungen. Eltern sind insoweit verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem Unterhalt und dem der Kinder gleichmäßig zu verwenden. Die Eltern sind also zu absoluter Solidarität verpflichtet.
Diese Verpflichtung geht soweit, dass sie im Ernstfall nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Substanz ihres Vermögens angreifen müssen, um den Kindesunterhalt leisten zu können. Der Selbstbehalt ist also in dieser Unterhaltsbeziehung niedriger als gegenüber anderen Unterhaltsbedürftigen. Den Minderjährigen sind volljährige, unverheiratete Kinder bis zum 21. Lebensjahr gleichgestellt, solange sie im Haushalt der Eltern leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.
Der Umfang des Unterhaltsanspruchs, das sogenannte Unterhaltsmaß, bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Verlangt werden kann also ein Geldbetrag, den der Berechtigte nach seinen bisherigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zum Leben braucht. Dem Umfang nach umfasst der zu zahlende Geldbetrag den gesamten Lebensbedarf samt der Kosten einer angemessenen Schul- und Berufsausbildung. Es liegt damit auf der Hand, dass bei jeder Person zu differenzieren ist.
Bei Kindern gilt folgendes: Erfahrungsgemäß ist zu berücksichtigen, dass ein im Studium befindliches Kind einen höheren Bedarf hat als ein Schuldkind. Ein Schulkind wiederum dürfte einen höheren Unterhaltsbedarf haben als ein Kleinkind. Die daraus folgenden Abstufungen nach Einkommensklasse sowie nach Alter des Kindes ist mittlerweile in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vollends durchleuchtet. Zu den einschlägigen Richtwerten beraten wir Sie gerne!
In der Praxis wird der Kindesunterhalt erst relevant, wenn die Eltern getrennt leben. Während der kindesbetreuende Elternteil seinen Beitrag zum Kindesunterhalt in diesem Fall durch die Pflege und Erziehung des Kindes erbringt, ist der andere Teil zur Leistung des Barunterhalts verpflichtet.
Zur Vereinfachung der Ermittlung des konkreten Barunterhaltsbedarfs des Kindes bedient sich die Praxis der sogenannten Unterhaltstabelle, die im Volksmund auch als Düsseldorfer Tabelle bekannt ist. Der Unterhaltsbedarf wird hier als fester Betrag abhängig vom Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen und dem Alter des Kindes angesetzt.
Das Unterhaltsrecht ist ein praxisrelevanter und komplizierter Bereich des Familienrechts. Kaum ein Feld ist derart geprägt von den Umständen des Einzelfalles. Das betrifft insbesondere die Berechnung des Umfangs der Unterhaltspflichten und die Höhe des Selbstbehalts. Die Düsseldorfer Tabelle stellt hierbei eine Hilfestellung dar und enthält Durchschnittswerte. Eine anwaltliche Beratung kann Sie jedoch nicht ersetzen. Insbesondere wenn es darum geht die Unterhaltsansprüche gerichtlich durchzusetzen, müssen Sie dringend einen Anwalt im Familienrecht hinzuziehen. Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!